Prof. Dr. W. Graf Vitzthum Anfängerübung im öffentlichen Recht

Sommersemester 1997

Fall "Kunst in der Falle"

(Dr. A. Kämmerer)


Nachdem in den großen deutschen Auktionshäusern immer öfter Kunstgegenstände aus deutschen Sammlungen von ausländischen Museen und Kunstliebhabern ersteigert werden, während Bund und Länder aufgrund leerer Kassen nicht bis zum Schluß mitbieten können, befürchtet der Bund einen "Ausverkauf deutscher Kultur". Im Frühjahr 1990 wird ein (auf Art. 74 Nr. 5 GG gestütztes Bundes-) Gesetz zur Sicherung des Verbleibens deutscher Kunstgüter im Lande" erlassen, das dieser Entwicklung entgegenwirken soll. Nach den Bestimmungen dieses Gesetzes soll der Erwerb bestimmter Kunstgegenstände auf öffentlichen Kunstauktionen mit bis zu 25 % des Kaufpreises gefördert werden; dafür muß der Gegenstand "bis zum Ablauf des fünften Kalenderjahres seit dem Erwerb" in Deutschland verbleiben. Während dieser Zeit muß der Erwerber des Kunstgegenstandes - gleichsam als Ausgleich dafür, daß dieser nicht für eine staatliche Sammlung erworben werden konnte - diesen auf Verlangen mindestens einmal für eine bundesweite Kunstausstellung als temporäre Leihgabe zur Verfügung stellen, wofür das Gesetz noch Näheres bestimmt.

Der Kunsthändler B erwirbt auf deutschen Kunstauktionen Ende 1990 das Gemälde "Luther mit Bierhumpen" vom Lucas Cranach d.Ä. und Anfang 1992 das Bild "Komplettes Perplex" von Paul Klee. Der Bund fördert den Kauf der Bilder mit Zuschüssen in Höhe von 25 bzw. 15 % des Kaufpreises. Im März 1997 gerät B in finanzielle Schwierigkeiten und verhandelt deshalb über den Verkauf der beiden Bilder mit dem Sammler L aus Lugano, der an ihnen brennend interessiert ist.

Inzwischen jedoch hat der Bundesgesetzgeber das "Gesetz zur Sicherung des Verbleibens deutscher Kunstgüter im Lande" novelliert. Da die Fünfjahresfrist bis zur "Freigabe" als zu kurz angesehen wird, wird das Gesetz in der Weise geändert, daß die Verbringungsbeschränkung und die verbundenen weiteren Pflichten "bis zum Ablauf des achten Kalenderjahres seit dem Erwerb" gelten. Bereits ausgelaufene Bindungen leben wieder auf. Der Bundesrat, dessen Mehrheit an dem Fortbestehen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes erhebliche Zweifel hat, legt nach erfolglosem Vermittlungsverfahren gegen das Änderungsgesetz (gegen die Stimmen der Länder Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen) Einspruch ein. Der Bundestag weist diesen Einspruch mit 350 gegen 171 Stimmen bei 40 Enthaltungen zurück. Der Bundespräsident fertigt das Änderungsgesetz, für das der Zeitpunkt des Inkrafttretens nicht bestimmt ist, aus und läßt es im Bundesgesetzblatt vom 27.6.1996 verkünden.

Da L die Bilder nicht nur kaufen, sondern in angemessener Frist in die Schweiz ausführen will, bricht er die Vertragsverhandlungen mit B ab. B ist empört über die Gesetzesnovelle, die ihn nach seiner Auffassung möglicherweise in der Existenz bedroht.



Kann B mit Erfolg gegen das geänderte Gesetz das Bundesverfassungsgericht anrufen?

Lösungsvorschlag




A. Zulässigkeit der Klage

In Betracht kommt eine Verfassungsbeschwerde (Art. 93 I Nr. 4a GG i.V.m. §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG). Diese ist unter folgenden Voraussetzungen zulässig:

I. Verhalten der öffentlichen Gewalt

In Frage: Erlaß des Änderungsgesetzes von 1996. Bundestag und Bundesrat üben als Legislative (Art. 1 III, 20 II 2 GG) durch Gesetzgebung öffentliche Gewalt aus.

II. Beschwerdebefugnis

gegeben, wenn B behaupten kann, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder grundrechtsähnlichen Rechte verletzt zu sein (§ 90 I BVerfGG).

1) Grundrechtsverletzung

a) Die Verletzung der Grundrechte muß zumindest möglich erscheinen. Hier kommt in Betracht: Verletzung des Grundrechts auf Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) und der Eigentumsgarantie (Art. 14 I GG).

b) B muß selbst betroffen sein: (+)

c) B muß gegenwärtig betroffen sein.

Beschwer ist jetzt gegeben und dauert an (+)

d) B muß unmittelbar betroffen sein.

Wann ist dies der Fall? Wenn kein vermittelnder Rechtsakt (insbesondere eines Privaten) die Betroffenheit auslöst.

Frage: Schließt es die Betroffenheit aus, wenn das Gesetz eines Vollzugsaktes bedarf?

Antwort: Nein; nur steht dann das Betroffensein durch das Gesetz selbst u.U. in Zweifel; sein Vollzug ist jedoch auch ein Akt öffentlicher Gewalt (der Exekutive)

Hier ist B unmittelbar durch das Änderungsgesetz betroffen, das in seine Rechtsstellung eingreift, ohne daß hierfür Ausführungsakte erforderlich wären.

2) B muß die Grundrechtsverletzung (schlüssig) behaupten (vgl. auch § 92 BVerfGG).

III. Rechtswegerschöpfung (§ 90 II 1 BVerfGG)

nicht erforderlich, da hier das Gesetz unmittelbar rechtsgestaltend ("self-executing") wirkt Beschreiten des Rechtswegs ist überhaupt nicht möglich.

§ 90 II 1 BVerfGG steht Zulässigkeit nicht entgegen.

IV. Frist (§ 93 III)

Ein Jahr seit Inkrafttreten des Änderungsgesetzes.

Wann ist das Gesetz in Kraft getreten?

Verkündung im BGBl am 27.6.1996. Vermutung des Art. 82 II 2 GG: Inkrafttreten vierzehn Tage nach Ablauf des 28.6.1996, also am 12.7.1996, 0 Uhr.

Jahresfrist läuft daher bis 12.7.1997, 0 Uhr, d.h. der Antrag muß im Laufe des 11.7. beim BVerfG eingehen.

V. Schriftform, Angabe von Beweismitteln, § 23 I BVerfGG

Verfassungsbeschwerde ist zulässig.



B. Begründetheit

Die VB ist begründet, wenn B durch das Änderungsgesetz (bzw. das geänderte "Gesetz zur Sicherung des Verbleibens deutscher Kunstgüter im Lande") in seinen Grundrechten oder grundrechtsähnlichen Rechten tatsächlich verletzt ist.

I. Formelle Rechtmäßigkeit des Gesetzes

1) Zuständigkeit

a) Verbandszuständigkeit des Bundes: Hat dieser die Gesetzgebungskompetenz für das Änderungsgesetz?

- Könnte fehlen, wenn Materie in die Gesetzgebungskompetenz der Länder über kulturhoheitliche Fragen fällt.

- Materie könnte sich jedoch unter Art. 75 I Nr. 6 GG (Rahmenkompetenz des Bundes über Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland) subsumieren lassen.

Ist Gesetz ein Schutzgesetz im angegebenen Sinn?

Nach h.M. betrifft Art. 75 Nr. 6 die Modalitäten der Ausfuhr deutscher Kulturgüter. Nach Sinn und Zweck muß er aber auch im Vorfeld liegende Schutzmaßnahmen erfassen, d.h. solche, die mit anderen als administrativen Mitteln die Ausfuhr erschweren sollen. Ziel des Gesetzes von 1990 und des Änderungsgesetzes ist, durch freiwillig eingegangene Bindungen einen Anreiz für den Verbleib im Inland zu schaffen, da der Staat selbst nicht mehr nötige Maßnahmen selbst ergreifen kann.

Materie fällt unter Art. 75 I Nr. 6 GG.

- Rahmengesetzgebung berechtigt zu ausfüllungsfähigem und ausfüllungsbedürftigem Rahmen; hier jedoch Detailregelung eines Sachverhalts.

Nach Rspr. des BVerfG und h.L. sind jedoch in Ausnahmefällen inhaltlich begrenzte unmittelbar anwendbare Detailregelungen möglich.

Hier: Detailregelung. Allerdings war Gegenstand früher in Art. 74 Nr. 5 GG geregelt, verlieh also eine umfassende Bundeskompetenz. Im Rahmen des Rechtsübergangs muß dies berücksichtigt werden, so daß auch Detailregelungen, die eine sinnvolle Anpassung gewährleisten, zulässig sein müssen.

Dies ist aber nicht der Fall, wenn mit Aufhebung des Art. 74 Nr. 5 GG das gesamte Gesetz von 1990 verfassungswidrig geworden ist.

Dies verhindert Art. 125a II GG, der klarstellt, daß das Gesetz von 1990 nicht außer Kraft tritt, sondern fortgilt bis zur "Freigabe" durch den Bund oder zur Löschung.

Doch ist aus Art. 125a GG keine Fortsetzung der alten Bundeskompetenz zu entnehmen; es bleibt bei der Rahmenregelung des Art. 75 I Nr. 6. Das alte Gesetz kann nicht dazu herangezogen werden, ein Bedürfnis für bundesgesetzliche Regelung auch im Detail heranzuziehen, insbesondere, wie es hier geschieht, die gesamte Materie "durchzunormieren".

Regelung ist von Art. 75 I Nr. 6 nicht gedeckt.

- Art. 72 II GG i.V. Art. 75 I a.A.: Bedürfnisprüfung obsolet, da Gesetzgebungskompetenz nicht besteht.

2) Gesetzgebungsverfahren

Das Gesetz durfte nicht ausgefertigt werden, wenn der Bundestag den Einspruch des Bundesrates nicht ordnungsgemäß zurückgewiesen hat.

- Gesetz ist (soweit Art. 75 I Nr. 6 reicht) Einspruchsgesetz, da Zustimmung von GG nicht verlangt wird.

- Nach Art. 77 IV 2 muß Einspruch mit 2/3-Mehrheit des BT, die Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder umfaßt, zurückgeweisen werden, wenn BR mit 2/3-Mehrheit Einspruch eingelegt hat.

* BR hat 69 Mitglieder; die drei genannten Länder haben zusammen (max.) 18 Mitglieder; somit 2/3-Mehrheit gegeben.

* 350:171 Stimmen im BT ist gleichfalls 2/3-Mehrheit. Die Enthaltungen werden nicht gezählt (h.M.). 350 ist jedenfalls offensichtlich auch die Mitgliedermehrheit.

II. Materielle Rechtmäßigkeit des Gesetzes

1) Verletzung von Art. 14 I GG (Eigentumsgarantie)?

a) Schutzbereich: Eigentum i.S.d. Art. 14 I GG?

Was ist Eigentum? Im verfassungsrechtlichen Sinne: alle vermögenswerten Rechte (keine Übereinstimmung mit dem engeren zivilrechtlichen Eigentumsbegriff, doch wird dieser umschlossen!)

Die Gemälde sind im sachenrechtlichen Sinne das Eigentum des B. Eigentum ist auch das mit öffentlich-rechtlichen Pflichten oder Lasten behaftete. Art. 14 I GG ist betroffen.

b) Eingriff oder Inhaltsbestimmung?

Zu unterscheiden sind: (1) Inhaltsbestimmung (Sozialbindung) und (2) Eingriffe in das Eigentum. Die Inhaltsbestimmung ist, wenn sie rechtmäßig ist, folgenlos; ist sie rechtswidrig, etwa weil sie über den gebotenen Rahmen hinausgeht, stellt sie eine Eigentumsverletzung dar. Der gezielte (finale) Eingriff in das Eigentum ist als Enteignung rechtmäßig. Sind die Voraussetzungen des Art. 14 III GG nicht erfüllt, liegt ein rechtwsidriger Eigentumseingriff vor (BGH: "enteignungsgleicher Eingriff"). Enteignungen sind rechtmäßige Eingriffe; weder die "übermäßige/index.htm" Inhaltsbestimmung noch die Art. 14 III GG nicht beachtende Eigentumsentziehung lassen sich in eine Enteignung umdeuten.

Ob ein Eingriff in das Eigentum vorliegt, bestimmt sich

- nach BGH ("Sonderopfertheorie") danach, ob eine Entziehung oder Belastung vorliegt, die die betroffene Person im Vergleich zu anderen besonders trifft und sie unter Verletzung (sic) des Gleichheitssatzes zu einem besonderen, den übrigen nicht zugemuteten Opfer für die Allgemeinheit zwingt; das heißt, der Eingriff darf nicht der wesensgemäßen Pflichtigkeit des Eigentums entspringen;

- nach BVerwG ("Schweretheorie") nach der Schwere und Tragweite des Eingriffs.

Die Grenze zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung steht nicht ein für allemal fest; es kommt auf den sozialen (auch räumlichen) Bezug an. "Je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug steht und eine soziale Funktion erfüllt, desto weiter reicht die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung." (BVerfG, DVBl 1997, 420 [421]).

Auf diese Abgrenzungsformeln kommt es m.E. jedoch nicht an, wenn ersichtlich eine Enteignung oder Inhaltsbestimmung intendiert ist. Dann ist zu fragen, ob die Grenzen des jeweiligen Instituts eingehalten sind.

Im vorliegenden Fall verlängert das Gesetz von 1996 lediglich die Geltung der im Gesetz von 1990 festgelegten Eigentumsbindungen. Durch das Gesetz von 1990 hat der Gesetzgeber das Eigentum bestimmten Bindungen im Allgemeininteresse (Bewahrung deutschen Kulturgutes) unterworfen, jedoch keine Enteignung intendiert. Die Finanzhilfe beim Kauf ist nicht Enteignungsentschädigung, sondern Voraussetzung für die Bindung. Die Bedingungen werden auch im Änderungsgesetz beibehalten. Im Ergebnis ist die Veräußerung ist, jedenfalls tatsächlich, beschränkt, aber keineswegs unmöglich. Nach dem Maßstab des BVerfG rechtfertigt die in diesem Fall manifeste Sozialbindung eine solche Maßnahme, die also ihrer Natur und ihrem Umfang nach als bloße (entschädigungsfreie) Inhaltsbestimmung des Eigentums gemäß Art. 14 I 2, II GG anzusehen ist.

c) Rechtmäßigkeit

Die Inhaltsbestimmung muß jedoch insgesamt rechtmäßig sein. Sie ist rechtswidrig, wenn sie unverhältnismäßig ist. Unverhältnismäßig könnte sie u.a. wegen der festgelegten Rückwirkung sein.

(1) Geeignetheit (+)

(2) Erforderlichkeit (mildestes Mittel unter mehreren gleich geeigneten Maßnahmen) (mangels Angaben anzunehmen)

(3) Proportionalität: Steht Bindung außer Verhältnis zum Eigentumsschutz selbst?

- BVerfG: Eigentumsschutz wiegt um so schwerer, je mehr der betroffene Eigentumsgegenstand der Sicherung der persönlichen Freiheit des Eigentümers dient. Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, daß diese Freiheit unbedingten Vorrang genießt vor den - nicht zu widerlegenden - Interessen Deutschlands bzw. der Gesellschaft am Schutz des Kulturgutes. Auch sind die Gegenstände - innerhalb Deutschlands - ohne weiteres veräußerlich. Das Eigentum wird nicht auf ein "nudum ius" reduziert.

- Aber: Maßnahme unverhältnismäßig wegen Verletzung des Vertrauensschutzes? Grund: Die durch Gesetz angeordnete Maßnahme gilt rückwirkend.

Zu differenzieren ist zwischen Objekten, bei denen die Bindung andauert (Klee), und solchen, die bereits aus der Bindung durch das Gesetz von 1990 entlassen sind (Cranach).

* Dauert die Bindung noch an, ist die Rückwirkung eine "unechte", d.h. sie wirkt auf noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft ein. Sie ist nach h.M. grundsätzlich zulässig (so auch zuletzt BVerfG, DVBl 1997, 420 [421], st. Rspr.). Unzulässig ist sie nach BVerfG (a.a.O.) nur, wenn (sie zur Erreichung des Zieles nicht geeignet oder erforderlich ist, s.o., oder wenn) ausnahmsweise die Rechtsinteressen der Betroffenen (Vertrauensschutz) gegenüber den Veränderungsgründen des Gesetzgebers überwiegen.

Hinsichtlich des Klee liegt nur eine "unechte" Rückwirkung vor. Insofern ist - auch wegen der prinzipiellen Verkäuflichkeit - nicht ersichtlich, daß das Rechtsinteresse der Betroffenen überwiegt. Der Bund hat die Notwendigkeit einer Regelung deutlich gemacht; ihm gesteht das BVerfG insoweit einen Einschätzungsspielraum zu. Insoweit ist die Maßnahme verhältnismäßig.

* Dagegen war der Cranach von der Bindung frei; diese wurde wiederhergestellt. Insoweit ist der Sachverhalt abeschlossen; es handelt sich um eine "echte Rückwirkung". Sie ist nach h.M. wegen des regelmäßig gegebenen Vertrauensschutzes in den Abschluß des Sachverhaltes grundsätzlich unverhältnismäßig - und damit unzulässig -, es sei denn, daß eben ausnahmsweise kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bestand. (Fallgruppen bei BVerfG, DVBl 1997, 420 [423])

Zwar ist der Vertrauensschutz auf den Fortbestand staatlicher Vergünstigungen in aller Regel beschränkt (BVerfGE 48, 403 [416]), insbesondere dann, wenn die Vergünstigung zum Erwerb der Eigentumsposition beigetragen hat. Diese Beschränkung geht aber nicht so weit, daß mit dem Wiederaufleben bereits aufgehobener Eigentumsbindung zu rechnen sein muß, ohne daß die Voraussetzungen für ihre Begründung noch vorliegen.

Es liegt - in Sachen "Klee" - eine unzulässige echte Rückwirkung vor.

Insoweit ist die Maßnahme unverhältnismäßig;

die "Inhaltbestimmung" greift in verfassungswidriger Weise in Art. 14 I GG ein.

2) Verletzung des Art. 12 I GG (Berufsfreiheit)?

a) Schutzbereich

Beruf i.S.d. Art. 12 I GG ist jede erlaubte Tätigkeit, die auf Dauer bestimmt ist und der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient.

B ist Deutscher und Kunsthändler; er fällt somit unter den Schutz des Art. 12 I GG.

b) Eingriff

- Art. 12 I GG bezieht sich sowohl auf die Berufswahl als auch auf die Berufsausübung, obwohl der Wortlaut hierzu keine Aussage trifft. Im vorliegenden Fall kommt nur ein Eingriff in die Berufsausübung in Betracht.

- Allerdings: Das Gesetz verfolgt kein berufsregelndes Ziel. B ist nur, weil er "zufällig" Kunsthändler ist, in stärkerer Weise als sonstige Private betroffen. Nach h.M. können auch mittelbare Regelungen oder solche, die die Berufsausübung tatsächlich betreffen, an Art. 12 I zu prüfen sein, wenn sie

* in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufes stehen und

* objektiv eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lassen.

Das Gesetz steht nicht nur in engem Zusammenhang mit der Ausübung des Auktionator-Berufes, sondern auch ihrer typischen Klientel, den Kunsthändlern. Zu deren Berufsausübung zählt jedenfalls auch die Möglichkeit des Gelderwerbs durch ungehinderten Verkauf von Kunstwerken. Insoweit ist auch objektiv eine berufsregelnde (verkaufsregelnde) Tendenz erkennbar. Daß B frei war, sich dem Gesetz von 1990 zu unterwerfen, spielt keine Rolle, weil er jedenfalls 1996 diese Freiheit nicht mehr hatte. In der Verlängerung der Beschränkungen liegt eine zusätzliche Beschränkung.

Das Gesetz von 1996 greift in die Berufsfreiheit ein.

c) Rechtmäßigkeit des Eingriffs?

Der Eingriff in die Berufsausübung durch Gesetz ist insbesondere zulässig, wenn er verhältnismäßig ist, was das BVerfG (im Rahmen seiner "Stufentheorie") wie folgt ausgestaltet:

- Der Eingriff muß mit sachgerechten und vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls begründet werden können;

- Der Eingriff muß auch im übrigen verhältnismäßig sein.

Die Stufentheorie des BVerfG besagt für Eingriffe in die Berufswahl :

- Subjektive (also an der Person anknüpfende) Beschränkungen dürfen statuiert werden, wenn (kumulativ!)

-- es der Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter zwingend erfordert,

-- die gewählte Form des Eingriffs das Grundrecht am wenigsten beschränkt;

-- der Eingriff zum angestrebten Zweck der Erfüllung der Berufstätigkeit nicht außer Verhältnis steht.

- Objektive (also von der Person nicht zu beeinflussende) Beschränkungen sind zulässig, wenn (kumulativ!)

-- es die Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlich schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut erfordert;

-- die gewählte Form des Eingriffs das Grundrecht am wenigsten beschränkt;

-- der Eingriff zum angestrebten Zweck der Erfüllung der Berufstätigkeit nicht außer Verhältnis steht [nicht ausdrücklich postuliert, ergibt sich aber aus Kontext]

Merke: Die Grenze zwischen Berufsausübungs- und Berufswahlregelung ist fließend; bei besonders intensiven Ausübungsregelung sind die Schranken für die Berufswahl anzuwenden (begründen!).

Hinsichtlich tiré 1 (Gemeinwohlerwägungen) kann auf das oben Gesagte (sinnvolles und notwendiges Ziel) verwiesen werden; auch hinsichtlich tiré 2 (Verhältnismäßigkeit i.ü.) findet sinngemäß das zur Rückwirkung Gesagte Anwendung: Mit Blick auf "Cranach" ist die Maßnahme wegen überwiegenden Vertrauensschutzes (echte Rückwirkung) unverhältnismäßig und ein rechtswidriger Eingriff in Art. 12 I GG; mit Blick auf "Klee" ist die Verhältnismäßigkeit gewahrt (unechte Rückwirkung).

Art. 12 I GG ist, soweit in abgeschlossene Sachverhalte eingegriffen wird, verletzt.



C. Ergebnis

Das Gesetz ist formell und materiell verfassungswidrig. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Das BVerfG erklärt das Änderungsgesetz für nichtig (§ 95 III 1 BVerfGG).